Tag 48 – Familienleben (von Tobias)

Heute morgen bin ich – zum xten Mal, seit Oumou und Mamoudo und jetzt auch Moustaf bei uns sind – mal wieder  mit schlechten Gewissen für mehrere Tage weg gefahren, diesmal zu einer schon lange geplanten Fortbildung. Diana, Felix und Lukas sind stark erkältet und Max hat mal wieder vorpubertäre Anwandlungen. Ich wäre nicht gefahren, wenn Diana mich nicht quasi weg geschickt hätte. Ich bewundere es, wie straight sie die Dinge trotz aller Widrigkeiten immer wieder durchzieht und liebe sie auch für ihre Konsequenz. „Lebbe geht weider“. Dieses Zitat von Dragoslav Stepanovic wird mehr und mehr zu ihrem und unser aller Motto. Gleichzeitig mache ich mir unheimlich Sorgen um sie und frage mich, wie lange sie das durchziehen kann…

Was sie – unter anderem – aufrecht hält, ist die Freude und Dankbarkeit, die immer wieder in den Augen von Oumou und Mamoudo aufblitzt. Und natürlich trägt auch der neue Erdenbürger Moustaf mit dazu bei, selbst zu erkennen, wofür man das letztlich alles tut: für die Kinder dieser Erde – egal welche Hautfarbe sie haben. Ich selbst war bei der Geburt von Felix und Lukas dabei und war damals, wie auch heute, als ich Moustaf das erste Mal auf dem Arm hatte, nachhaltig angefasst und vor allem beeindruckt vom Wunder des Lebens oder, wie ich immer sage, davon, was aus einem kleinen Klumpen Eiweiß werden kann…

Unser Alltag ist derzeit ziemlich durchgetaktet. Montags hat Felix Musikschule und Max Tennisunterricht, ich alle 2 Wochen CDU-Fraktion, Dienstags Lukas Krabbelgruppe und Max Fußballtraining und/oder Konfirmationsunterricht, Mittwochs ist dann und wann ein Fußballspiel von Max oder Diana hat Lions-Meeting, Donnerstag habe ich Rotary-Meeting, Freitags haben Max und Felix Fußballtraining und in der Regel vergeht kein Wochenende, an dem nicht irgendein Fußballspiel oder -turnier stattfindet. Hinzu kommen unser beider beruflicher Verpflichtungen sowie das Engagement bei der IHK. Alle im Zusammenhang mit Oumou, Mamoudo und Moustaf anstehenden Aktivitäten, von denen Diana einige beschrieben hat, fallen zusätzlich an…

Was macht das alles mit uns, als Familie, aber auch als Paar? Es schweißt uns – letztendlich – noch enger zusammen. Wir schaffen es in der Regel, entweder abends oder am folgenden Morgen nochmals den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen und wir passen darauf auf, weiterhin genügend „Kuscheleinheiten“, auch für die Kinder, zu haben. Wichtig ist – und war es auch im „normalen“ Familienleben, bevor die drei zu uns kamen – offen miteinander umzugehen und vor allem auch mal „Stopp“ zu rufen, wenn es bei einem von uns nicht mehr geht. Das funktioniert – je nach individuellem Gesundheitszustand, mehr oder weniger ausreichendem Schlafpensum und „gute Laune – Faktor“ – bei jedem von uns mal besser und mal schlechter, ist unserer Meinung nach aber zwingend die Voraussetzung dafür, dass unser Leben so, wie wir es führen möchten, auch funktioniert…

Von meinen Seminarkollegen hier in Marburg sind mir – wie von vielen anderen bislang auch – sehr viel Respekt, Bewunderung und lobende Worte für unser Tun entgegen gebracht worden. Das tut gut und bestätigt uns auch darin, dass es – bei allen Einschränkungen, die es mit sich bringt – richtig ist, was wir tun. Es geht uns aber nicht um’s Lob. Die Integration an sich, das Bedürfnis helfen zu wollen, ist das, was uns antreibt. Und wir freuen uns über jede(n), der sich das als Beispiel nimmt und schaut, wo und was er/sie in seiner/ihrer Region tun kann. Ein bisschen Zeit, Geld oder auch Platz kann jeder von uns erübrigen.

Tag 45 – Anmeldung

„Für eine Geburtsurkunde benötigen wir den Pass der Mutter.“ Und da waren sie wieder meine drei Probleme. „Hat sie aber nicht.“ „Das ist aber schlecht.“ Gut, dass ich erst einmal im Standesamt angerufen habe, mit der Dame Angesicht zu Angesicht, hätten meine Flecken am Hals meine aufkochende Wut sicherlich verraten.

Im Umgang mit Behörden habe ich in den letzten Wochen einiges gelernt:

1. Bei einem Termin vor Ort: Zieh Dich an wie zu einem Businesstermin. Dies hebt Dich aus der Masse raus und signalisiert, dass das Gespräch mit Dir anders laufen könnte.

2. Wundere Dich nicht, wenn Dir gleich am Anfang Sätze wie „Das ist aber schlecht“, „Das gibt die Verordnung XYZ nicht her.“, „Diesen Fall hatte ich persönlich noch nicht.“ und mein Lieblingssatz, „Dafür bin ich gar nicht zuständig.“.

3. Selbst wenn Deine Halsschlagader zu platzen droht, tief durchatmen und freundlich lächeln.

4. Die Situationen schon im Vorfeld gut durchdenken und selber überlegen, wie der Weg zum Ziel aussehen könnte.

5. Im Gespräch immer mitdenken und den selbstausgedachten Weg dahingehend gedanklich überarbeiten und anpassen.

6. Wichtig! Den eigenen Weg niemals einfach vorstellen, sondern immer so einfließen lassen, dass die Erkenntnis beim Gegenüber reifen kann.

Ich atmete tief durch, „Ja sicher ist das schlecht, aber Oumou ist doch nicht die erste Flüchtlingsfrau. Die ein Kind in ihrem Ort entbindet. Wie läuft das denn sonst?“ Worsichtig rantasten.

„Kann ich nicht sagen, da bin ich nicht zuständig.“ Ahh, da war er wieder, dieser Satz! „Da kommen Sie am Besten vorbei und sprechen mit meiner Kollegin.“ Na guck, geht doch. „Bringen Sie alle Unterlagen mit.“ „Was heißt denn ALLE? Was genau benötigen Sie denn?“ „Kann ich nicht sagen, bringen Sie einfach alle Unterlagen mit, meine Kollegin sucht sich dann schon die richtigen raus.“

Aha, nun startete ich den letzten Versuch: „Braucht sie denn nicht auch eine Bestätigung der Klinik?“ „Na, aber sicher. Die Geburtsanzeige und das Beiblatt, welches Sie im Krankenhaus bekommen. Das muss sie auch unterschreiben. Sonst können wir gar nichts machen.“

Ja, ja, wer fragt gewinnt. Leider hat die entsprechende Stelle im Krankenhaus so blöde Sprechzeiten, so dass ich erst nächste Woche dazu kommen werde. Ich bin gespannt.

Tag 44 – Der Geburtstag 

Um 7:03 Uhr bin ich im Bett hochgeschreckt. Mein Kopf schmerzte unerträglich, aber Mamoudou brauchte doch seine Muffins, schließlich hatte er doch Geburtstag! Ich schaffte es aber nicht, mich aufzuraffen und so schrieb ich völlig verzweifelt unserer Nachbarin, bei der Mamoudou geschlafen hatte und die sich so liebevoll um ihn gekümmert hatte, dass Sie bitte gerade Mamoudou rüberschicken sollte und quälte mich aus dem Bett.

„Gott, siehst Du Scheiße aus, was machst Du denn hier? Geh wieder ins Bett!“ Ja, das ist es, was eine Frau hören will, auch wenn ich ihr im Stillen ja Recht gab. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Mamoudou und alles Liebe!“, ich schaute an unsere Nachbarin vorbei zu Mamoudou, der mit dem ganzen Trubel um seinen Geburtstag irgendwie gar nichts anfangen konnte.

„Danke“, irgendwie war es ihm unangenehm, aber auf der anderen Seite blitzte auch eine gewisse Neugier auf.

„Wir sehen uns heute Mittag und dann fahren wir zu Deiner Mama, ok?“ Ein leichtes Schulterzucken und ein „ok“, waren das, was ich zurück bekam.

Nach einem harten Tag im Büro, den ich nur dank Kaffee überlebte, machten sich Mamoudou, Felix, Lukas und ich auf ins Krankenhaus. Ein buntes Kuddelmuddel, das viele Blicke auf sich zog. Oumou sah um so vieles jünger aus als die Wochen vorher und sie strahlte! Vor ihr lag dieser unglaublich kleine Kerl, zufrieden vor sich hin träumend. Felix und Lukas stürmten einfach drauf los und besonders Felix überschüttete Moustaf mit seiner ganzen Liebe und mit ein paar Streicheleinheiten. Nur Mamoudou tat so, als ob ihn das alles nichts anginge und blickte neugierig, aber mit Distanz zum Bett.

Ich war etwas irritiert, besonders dann, als Oumou ihn auch nicht sonderlich beachtete. Allerdings hatte sie auch bei Moustaf keine besondere Herzlichkeit gezeigt. Man muss dazu sagen, dass Gefühlsregungen bei beiden eher nicht an der Tagesordnung sind, sowohl untereinander als auch gegenüber bestimmten Situationen. Da weiß man nie, wo man dran ist.

Bei uns ist das ganz anders, da wird geknuddelt und gekuschelt bis der Arzt kommt. Das bekommen die Beiden auch mit.

Mag es auch einen kulturellen Hintergrund haben, ich möchte die Situation nicht und so fragte ich Oumou, ob Mamoudou seinen kleinen Bruder auf den Arm nehmen dürfe. „Ja“, sie nickte ! Schaute aber gleichzeitig etwas irritiert. Ich verfrachtete Mamoudou in einen Sessel und gab ihm Moustaf, der das Ganze in äußerster Gelassenheit über sich ergehen ließ. Da taute dann auch der große Bruder auf und ihm war es gar nicht Recht, dass Felix immer mit den Worten „Ich auch Arm nehmen, ich auch Arm nehmen“ um ihn rumsprang.

Ich erinnerte Oumou daran, dass Mamoudou doch Geburtstag habe. Das war ihr bewusst, sie wusste aber nicht, warum ich ihr das sagte. Gratuliert hat sie allerdings nicht.

Zurück zu Hause, bereiteten Max und Mamoudou den großen Esstisch vor, denn bei aller Freude über die Moustaf, einen Geburtstag hatten wir auch noch zu feiern. Dazu hatten sich auch meine Mutter, meine Schwester und unsere Nachbarin angekündigt. Als dann noch Tobias relativ gut auf der Autobahn durchkam, konnte die Party beginnen.

Alles war dekoriert und jeder brachte Geschenke mit. Mamoudou nahm sie schüchtern entgegen und es bedurfte einiger Ermutigungen, dass er sie auch auspackte.

„Ohhh, DANKE“, die Augen glitzerten und funkelten, denn meine Mutter hatte mit einer giftgrünen Uhr den Vogel abgeschossen. Ungläubig schaute er meine Mutter an: „Meins?“

Nachdem dann auch noch die Riesenpizzen geliefert wurden und alles im Esszimmer durcheinander redete, wir aßen und Mamoudou vor sich hin sang, da war es ein ganz normaler Geburtstag, der für die Hauptperson aber keineswegs normal war.

Tobias und ich schauten uns an und dachten beide das Gleiche: hier saßen die Menschen ohne die wir dieses ganze Abenteuer gar nicht durchführen könnten. Meine Mutter, die sich überall einbringt und einspringt, wenn Not am Mann ist, meine Schwester, die mit ihrer frischen Art und ihrem besonderen Zugang zu den Kids, noch mal einen anderen Schwung reinbringt und unsere Nachbarin, die immer da ist und anpackt, wenn sie etwas sieht. Diese drei Frauen sind wir so dankbar!

Tag 43 – Die Geburt

1:30 Uhr an Tag 44 und ich bin endlich wieder zu Hause! Der letzte Tag hatte es in sich und bei aller Gelassenheit, die ich Oumou gegenüber ausgestrahlt habe, einfach ist anders. Aber der Reihe nach.

Um 6:30 Uhr stand Oumou fix und fertig in der Tür, bereit zur Abfahrt. Ganz so weit war ich noch nicht, schnell noch die Brote fertig machen, Max rausschmeißen, den Tag mit Tobias durchgehen und dann ging es los.

„Oumou, alles klar?“ Wie oft habe ich diesen Satz in den letzten Wochen benutzt, immer fragend, ob nicht doch eine Wehe im Anmarsch war, aber heute versuchte ich nur die Anspannung, die von Oumou ausging, zu lösen. Und es klappte. Sie lachte lautstark und schaute mich an. „Ja, alles klar.“

Im Krankenhaus wurde mir erst einmal wieder bewusst, was dieses Prozedere für sie bedeuten musste. Mamoudou hat sie im Haus ihrer Mutter mit vielen, weiblichen Verwandten um sie herum zur Welt gebracht. Ganz natürlich ohne Geräte, Tabletten, Infusionen und Ärzte. Machen wir hier das Richtige? Aber schließlich war sie bereits 13 Tage über Termin.

Kneifen galt jetzt nicht, also ging ich vor und Oumou kam langsam hinter mir her. So läuft das übrigens immer: Ich gehe los und schon nach 10 Sekunden ist sie zwei Schritte hinter mir und fällt mit zunehmender Zeit immer weiter zurück, so dass ich automatisch irgendwann warten muss. Dafür fallen ihr aber Dinge auf, die ich schon längst nicht mehr sehe.

Zurück zum Krankenhaus. Wir klingelten im Kreißsaal und wurden auch schon gleich freudig begrüßt, man hätte uns bereits erwartet. „Sie sind zum übersetzen mit? Wie lange haben Sie Zeit?“

„Nein, ich spreche leider gar kein Französisch, aber ich bleibe so lange bis das Baby da ist.“ Mittlerweile gewöhne ich mich an die verblüfften Blicke. Also schickte ich schnell eine Erklärung hinterher „Oumou wohnt mit ihrem Sohn bei uns und vertraut mir, wir werden das schon hinbekommen.“ Diese Erklärung sollte ich an diesem Tag noch öfter machen und die Reaktion war jedes Mal die gleiche: Mein Gegenüber interessierte sich für die Hintergründe und wollte alles genau wissen. Es können viele Dinge geklärt werden, wenn man nur darüber spricht.

Apropos sprechen, da ich bei allen meinen drei Kindern nicht um eine Geburtseinleitung herum kam, kannte ich mich in diesem Bereich besonders gut aus und hatte zusammen mit der Lehrerin und der Hebamme Oumou die verschiedenen Einleitungsarten versucht zu erklären. Letztendlich entschied sie sich für die Einnahme von Tabletten. Die Ärztin im Krankenhaus war darüber sichtlich erleichtert, aber natürlich erklärte auch sie ihr alles noch einmal, allerdings auf deutsch.

Auf die Einnahme der ersten Tablette erfolgte die Belegung des Zimmers, Oumou war völlig überfordert von der Größe des Zimmers und der Sauberkeit. Wir liegen im Foyer auf und ab und so hatte ich die Gelegenheit noch ein wenig am iPad zu arbeiten. Die Mutter eines Teamkollegen von Max, die als Ernährungsberaterin in der Klinik arbeitet, kam kurz vorbei. Oumou nennt sie jetzt immer „Amigo Doktor“ 😉 Aber von Ernährungsberatung hat sie sicherlich auch noch nie was gehört.

Nach dem dritten CTG und der Tablette arbeitete ich munter weiter, während Oumou vom begleitenden CTG so gelangweilt war, dass sie sich eine Auszeit nahm und eine Runde schlief. Das beeindruckte mich, denn diese Ruhe habe ich nie aufbringen können. Ein paar Minuten später wunderte ich mich schon etwas mehr, denn auch ich als Laie konnte die Ausschläge des Wehenschreibers ganz eindeutig Wehen und zwar nicht unbedeutenden Wehen zuordnen. Während ich mich wunderte, schlief Oumou weiter und ich nahm meine Arbeit wieder auf, denn ich war mir sicher, bevor das Kind kam, wachte sie bestimmt noch mal auf.

Nach dem CTG wachte Oumou auf und bestritt vehement, dass sie Schmerzen habe. Nun gut, dann verließen wir also den Kreißsaal ein weiteres Mal und erkundeten das Foyer erneut. Oumou lief ihre Runden und ich machte meine Arbeit. „Ich bin müde, schlafen.“ Alles klar, das Bett stand ja im Zimmer, also nichts wie hin. Im Zimmer erwartete sie sogar noch ihr Mittagessen und wieder wunderte sie sich.

Pünktlich um 17:00 Uhr waren wir wieder im Kreißsaal zur 3. Runde. CTG, Tablette, CTG und dann war an Schlaf nicht mehr zu denken. Die Wehen kamen schnell hintereinander und plötzlich stürmten drei Hebammen mit zwei Ärzten ins Zimmer, Oumou wurde auf die Seite gewuchtet, bekam eine Sauerstoffmaske auf und eine Injektion in den Zugang. Ihren panischen Blick zu mir werde ich niemals vergessen. Sie hatte mir den ganzen Tag immer vertraut, denn wenn ich sagte, das ist ok, dann war es auch für sie ok und jetzt das. Ich versuchte Ruhe auszustrahlen, merkte aber selber, dass mir das nicht gelang. In einem günstigen Moment herrschte ich die Hebammen an: „Was ist hier los?“ „Die Herztöne des Babys sind abgesackt, scheinbar hat das Kind auf die Tabletten reagiert. Wir haben Gegenmaßnahmen getroffen, die Herztöne werden wieder normal.“ Völlig erschrocken zog ich meinen Stuhl ganz nah an Oumou heran, nahm ihre Hand und schwor ihr hoch und heilig, dass alles gut werden würde und dass sie das großartig mache. Wir atmeten zusammen und ich ließ dieses CTG nicht mehr aus den Augen.

Um 19:20 Uhr hatte sich soweit alles beruhigt, die Wehen waren da, hatten aber noch nicht die richtige Länge. Die Hebamme schlug vor, dass wir ein paar Runden laufen sollten, um spätestens eine Stunde später wieder zurück zu sein. So liefen wir und während wir Europäerinnen uns einfach vor Schmerzen krümmen und stöhnen, schnippsen und tanzen Afrikanerinnen. Das war schon sehr skurril und so wanderten wir schnippsend und tanzend durch die Gänge, aber nach 40 Minuten beschloss ich, dass es jetzt reicht und ich die Verantwortung nicht länger auf mich nehmen wollte.

Oumou kam umgehend in den Kreißsaal und die Hebamme versuchte mit ihrem Schulfranzösisch Kontakt zu Oumou zu bekommen und es klappte sehr gut. Ich vertiefe jetzt nicht den Geburtsvorgang, nur so viel, Oumou sprach deutsch. Im größten Delirium sprach sie mit uns deutsch, nur Brocken, aber immerhin. Ok, sie verfluchte mich mehrfach, auch auf deutsch, aber das verzeihe ich ihr, denn die Geburt war alles andere als einfach.

Um 22:16 Uhr war er dann aber da. Moustaf! Mit so vielen Haaren und keineswegs so dunkelhäutig wie ich es mir vorgestellt hatte. Er hat ein ganz zartes Stimmchen und wunderschöne Augen. 3.810g und 53cm. Oumou wollte, dass ich die Nabelschnur durchschneiden sollte und es war ein unbeschreibliches Gefühl. Minuten später, als wir drei alleine waren, sagte Oumou „Danke, aber in Guinea nicht das (CTG) und nix Doktor und nichts Tablette. Einfach nur aua und gut.“

Ja, Oumou, da hast Du wohl Recht. Wieder einmal stellte ich mir die Frage, ob das bei uns immer alles so sein musste. Auf der anderen Seite hätte ich mit ihr in diesem Moment die Kindersterblichkeitsrate in Guinea nicht diskutieren wollen, also schwieg ich.

Tag 42 – Morgen

„Na, das wird ja heute ein Spaß!“, gut gelaunt sitzt Tobias mir heute Morgen am Frühstückstisch gegenüber. Es ist mal wieder Termin beim Frauenarzt und da ich einige eigene Termine habe, darf Tobias heute mal mitgehen. 

„Ob Oumou das Recht ist?“ Bislang war ich immer an ihrer Seite und wir bilden schon so ein unschlagbares Team, dass sich ohne Worte vertraut, das heißt, sie mir vertraut. 

„Ich gehe heute mit zum Doktor“, gespannt wartete Tobias auf Oumous Antwort.

„Ok“, manchmal glaube ich sie wundert sich über gar nichts mehr bei uns in Deutschland. Geht halt Tobias mit.

Gesagt, getan um 9 Uhr erreichte mich der Anruf von Tobias: „Morgen um 7:30 Uhr ist Termin, die Ärztin hat in meinem Beisein im Krankenhaus angerufen.“

Um ehrlich zu sein, da musste ich mich erst einmal setzten. Morgen also, wieder mal kein Sprung aus dem Bett, weil Wehen da sein, kein im Auto ins nächste Krankenhaus rasen. Geburtseinleitung, na klar, damit kenne ich mich bestens aus!

Aber bis morgen war doch ich einiges zu organisieren. Tobias zur Ausschusssitzung in Düsseldorf, mit Übernachtung. „Wie machen wir das mit den Kindern?“ Tobias sprach das aus, was ich gerade dachte. „Weiß ich noch nicht, muss ich mir erst Gedanken zu machen, habe jetzt aber gerade keinen Kopf dafür, melde mich später.“ Das war sicherlich nicht die nette Art, aber momentan konnte ich manchmal nicht aus meiner Haut. 

Einmal fünf Minuten Zeit, um alles zu durchdenken, ja, das fehlt mir einfach.

Nach meinem Termin kam die whatsapp von Tobias: Alles geregelt, die Kinder aufgeteilt. Deine Mama, Schwester, der Vater von Max und unsere Nachbarin helfen mit, die Kinder sind gut aufgeteilt.

Ja, das kann er und ich war ihm einmal mehr sehr dankbar!

„Ich habe gleich Fußball.“ Mit diesem Satz wurde ich abends in der Tür begrüßt, Mamoudous Deutschkenntnisse wurden immer besser. „Ja, ich weiß, aber Max kommt heute nicht mit, der ist zur SV-Fahrt und kommt erst morgen wieder.“ „Kein Problem“, ja, in der Tat war es für ihn hier im Dorf kein Problem mehr. Das zeigte sich auch, als es während des Abendessens an der Tür schellte und die Diakonin mit drei Jungs vor der Tür stand. Sie wollten Mamoudou zu einer Runde Kickern überreden, aber Überredungskunst war da nicht nötig. 

Mich fasziniert es immer wieder, wie sehr Augen durch Kleinigkeiten leuchten können. 

Gerade habe ich schnell noch alle Vorbereitungen für Mittwoch getroffen, denn da hat Mamoudou Geburtstag. Er soll es so feiern, wie Kinder das hier in Deutschland tun und so habe ich eben noch Muffins vorbereitet, die er mit in die Schule nehmen kann, denn ob ich morgen dazu komme, ist doch eher fraglich.