Ohne eigene Küche?

„Wie? Das ist nur ein Schlafzimmer mit einem Badezimmer? Keine eigene Kochstelle? Kein komplett abgeschlossener Bereich? Wie haben Sie sich das denn vorgestellt?“ Die Fragen prasselten am Telefon nur so auf mich ein und ich sah mich in eine Verteidigungshaltung reingedrängt, in die ich nun gar nicht wollte.

Der Angreifer war der zuständige Mitarbeiter der Stadt, der sich mal erkundigen wollte, was mein Mann bereits angestoßen hatte.

Ich holte tief Luft, „Ja, es ist nur ein Zimmer mit Badezimmer, wir wollten mit den (Mein Gott wie nenne ich sie denn? Gäste, Fremde, neue Familienmitglieder…) Flüchtlingen unsere Küche zur Verfügung stellen, mit ihnen zusammen kochen, sie in unserer Familie temporär aufnehmen.“

„Also da sehe ich wenig Chancen, die brauchen ja auch Privatsphäre und man darf sie damit auch nicht überfordern.“ Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.

„Privatsphäre? Wie sieht das denn in den schon jetzt überfüllten Wohnheimen aus? Wo ist denn da die Privatsphäre?“, es platzte einfach aus mir raus, „Ist auch egal, unser Angebot steht, wenn es nicht akzeptabel ist, anbauen werden wir deshalb nicht!“

Noch 5 Minuten später saß ich an meinem Schreibtisch und konnte es nicht fassen. Unfähig mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, schrieb ich Tobias eine Whatsapp, da er diese Woche in Marburg studiert. „Nicht genügend Privatsphäre…“

Die Bewerbung

„Ich habe mich bei der Stadt gemeldet und der Mitarbeiter war begeistert“. Mit dieser Meldung überraschte mich Tobias im Büro.

„Wer war worüber begeistert?“ So schnell kann auch ich nicht immer wechseln.

„Na, der Verfasser der Mail, über die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge“. Ja, liebe Ehefrau, manchmal kannst Du auch mal mitdenken. „Ich habe lange mit dem Mann telefoniert und er gibt das jetzt intern weiter“.

Die Mail

„Ich habe von der Aktionsgemeinschaft eine Mail bekommen, die Stadt bittet darum, Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen“. Tobias überraschte uns mit dieser Information beim Abendessen.

„Wir haben doch noch „Sus“ Zimmer frei“. Ja, so einfach kann es im Leben eines 11-jährigen sein. „Sus“ war unser spanischer Au-Pair Jesús, der im Sommer leider aufgehört hatte und wir leider keinen adäquaten Ersatz fanden.

Das Zimmer war frei, aber wir redeten nicht über einen Übernachtungsbesuch oder eine befristete Arbeitsstelle. Tobias und ich guckten uns an, kann es wirklich so einfach sein?

Ja wir haben unsere eigene Meinung zu dem Umgang mit Flüchtlingen und besonders zu dem Thema Integration. Wie können wir erwarten, dass fremde Menschen sich an unsere Gewohnheiten und unsere Lebensweise anpassen, wenn wir Ihnen keine Gelegenheit geben, diese hautnah zu erfahren? Dass sie unsere Werte kennen lernen, akzeptieren und auch adaptieren, wenn wir sie nur in kurzen Momenten besuchen und mit ihnen zusammen sind? Wie können wir ihnen das und unsere Sprache beibringen, wenn Sie doch in zig Kulturen auf engstem Raum „zusammengedrängt“ (sorry, mir fällt einfach kein anderes Wort für die allgemeinen Flüchtlingsunterkünfte ein) sind und alles dort gesprochen wird, doch kein Deutsch?

„Wen könnten wir denn aufnehmen?“ Tobias geht so etwas immer pragmatisch an

„Bloß kein Mädchen“. Typisch Max

„Vielleicht eine Mutter mit Kind?“ Bei uns macht es nun wirklich keinen Unterschied, ob da noch ein Kind mehr rumspringt oder nicht und Kinder sollten unter Kindern sein.

Wie alles begann!

„Hey Mama, was können wir eigentlich tun?“ Die Frage unseres 11-jährigen brauchte keine weiteren Erklärungen, denn ein Thema ist allgegenwärtig in unseren heutigen Zeit: Flüchtlingskrise!

„Ja, tun müssen wir etwas, aber was schlägst Du vor?“ Das kam von meinem Mann Tobias, denn so läuft das immer. Eigene Ideen zu entwickeln und sich nicht auf die Lösungen anderer zu verlassen, das ist es, was er unseren Kindern immer beibringen möchte.

„Lasst uns mal zusammen nachdenken“ Ich sah schon wieder, wie Max die Augen verdrehte und das ist irgendwie auch neuerdings immer so…

Da saßen wir drei nun und dachten nach:

Kleiderspende – Tobias und ich hatten das schon gemacht und Max versprach nun auch endlich tätig zu werden.

Spielzeug – Was brauchen unsere beiden Kleinen nicht mehr, was können wir abgeben?

Möbel – Nun, auf dem Dachboden gibt es so einige Schränke, die noch super erhalten sind, aber die wir wahrscheinlich nie mehr benötigen. Drauf auf den Zettel, damit ich am nächsten Tag bei der von der Stadt eigens eingerichteten Nummer anrufen und mich informieren konnte, wie das Ganze abläuft.